Ihr Kauf ist abgeschlossen. Ihre Dokumente können jetzt angezeigt werden.
Das Reichsministerium der Finanzen war der große Geldgeber des NS-Regimes. Es finanzierte Repression, Aufrüstung und Kriegführung des nationalsozialistischen Staates. Es setzte über den Rahmen herkömmlicher Einnahmen hinaus im Reich wie in den besetzten Gebieten zunehmend auf Konfiskation. Struktur, Handeln und politisches Gewicht der Finanzverwaltung als Teil des verbrecherischen Regimes untersucht eine international zusammengesetzte Historikerkommission im Auftrag des Bundesfinanzministeriums.
Die staatlichen Finanzbehörden waren maßgebliche Akteure bei der Planung, Legitimation und Umsetzung der wirtschaftlichen Ausplünderung der deutschen Juden. Wie kam es dazu, dass ein so großer und weit verzweigter bürokratischer Apparat wie die Finanzverwaltung mit zehntausenden von Mitarbeitern weitgehend reibungslos im Sinne der NS-Politik funktionierte und sich bereitwillig an den Staatsverbrechen des "Dritten Reiches" beteiligte? Um diese Kernfrage zu klären, geht Christiane Kuller in ihrer Pionierstudie den politischen Entscheidungen, der institutionellen Organisation und der praktischen Durchführung der fiskalischen Verfolgung nach und verknüpft diese Ebenen erstmals. Ihre Analyse der Normen und institutionellen Routinen wie auch situativer und personaler Faktoren verdeutlicht die erschreckende Rolle des Reichsfinanzministeriums und seiner Verwaltung bei der Ordnung des Terrors. Eingebettet in eine längere zeitliche Perspektive, die bereits im späten 19. Jahrhundert einsetzt und bis in die Nachkriegszeit reicht, erschließen sich somit Grundfragen der Analyse nationalsozialistischer Staatsverbrechen. Christiane Kuller erhielt für ihre Arbeit den Habilitationsförderpreis der Universität München 2011 und den Ernst-Fraenkel-Prize der Wiener Library / London 2012. "This is a most impressive study of the involvement of the Reichsfinanzministerium and its field administration in the systematic Ausplünderung of German Jews under the Nazi regime", Jane Caplan, University of Oxford.
Die Rolle der obersten Finanzbehörde des Dritten Reiches an der wirtschaftlichen Ausbeutung der besetzten Länder während des Zweiten Weltkrieges wurde in der Forschung bislang oft unscharf beschrieben. In der Vergangenheit war man vielmehr allzu häufig den Nachkriegsaussagen des Ministers Schwerin von Krosigk und seiner früheren Mitarbeiter gefolgt, wonach das Reichsfinanzministerium kaum Einflussmöglichkeiten auf die Finanzpolitik außerhalb Deutschlands besessen habe. Tatsächlich entspricht diese exkulpierende Behauptung lediglich in formaler Hinsicht den Tatsachen, vermochte das Ministerium doch sowohl auf der Ebene der obersten Reichsressorts als auch über seine in sämtliche Besatzungsverwaltungen abgeordneten Beamten einen gewichtigen faktischen Einfluss auf die Ausbeutungsmaßnahmen in den besetzten Ländern auszuüben.Dies trifft vor allem auf die Aufbringung und Gegenfinanzierung der oft überhöhten Besatzungslasten zu, welche letztlich der deutschen Kriegskasse zugutekamen und Hitlers Kriegführung überhaupt erst ermöglichten. Neben einer Kontrolle des Haushaltsgebarens in den besetzten Ländern sorgten die Spezialisten des Ministeriums konkret dafür, dass die einheimischen Finanzbehörden die Steuersätze erheblich anhoben und neue Abgabenarten einführten, um zu einer Steigerung des Steueraufkommens zu gelangen. Im Nebeneffekt schloss dieses Vorgehen häufig eine sukzessive Angleichung an das deutsche Fiskalsystem ein und zielte damit auf die Errichtung eines europäischen „Großwirtschaftsraumes“ unter deutscher Hegemonie ab.In einigen besetzten Ländern vereinnahmten die Finanzbeamten darüber hinaus entsprechend der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz das Vermögen und die Habseligkeiten von emigrierten oder deportierten deutschen, tschechischen oder polnischen Juden. Die Einstufung des Reichsfinanzministeriums als eine reine Fachbehörde, die an den nationalsozialistischen Verbrechen nicht oder nur am Rande beteiligt war, kann daher auch im Hinblick auf das besetzte Europa nicht länger aufrechterhalten werden.
Die Studie enthält die erste systematische Untersuchung der Rolle der Reichsfinanzverwaltung bei der Ausplünderung von Staat und Gesellschaft des besetzten Polens während des Zweiten Weltkriegs. Dabei wird detailliert gezeigt, auf welche Weise die deutsche Steuer- und Zollverwaltung die Vermögenswerte des polnischen Staates wie der polnischen Bevölkerung in riesigem, bislang ungeahntem Ausmaß enteignete, umverteilte oder schlicht raubte. Zudem forderte das Reichsfinanzministerium von Polen horrende Besatzungskosten, was zu massiver Inflation und Verelendung der polnischen Bevölkerung führte.
Auch an der Enteignung der polnischen Juden und an der Verwertung der Erträge aus dem Massenmord waren die deutschen Finanzbeamten maßgeblich beteiligt. Insgesamt erweist sich die deutsche Besatzungspolitik in Polen als ein fiskalischer Beutezug ohnegleichen.
Wie wird in Zeiten der Ausnahme regiert? Diese Frage kennzeichnete die Geschichte des Reichsfinanzministeriums, die am Ende des Ersten Weltkrieges begann und mit dem moralischen und ökonomischen Bankrott des nationalsozialistischen Regimes endete. In ihrer breit angelegten Monografie untersucht Stefanie Middendorf den Mikrokosmos dieses Ministeriums in den krisen- und kriegsgetriebenen Jahrzehnten zwischen 1919 und 1945 und legt zugleich eine tiefgreifende Analyse bürokratischer Macht unter den Bedingungen von Demokratie und Diktatur vor.
Die Studie zeichnet die Staatsvorstellungen der Beamtenschaft ebenso nach wie die Regierungstechniken des ministeriellen Apparates und die internationalen Resonanzräume der Haushaltspolitik. Über den historischen Moment von 1933 hinweg blieb das Reichsfinanzministerium überraschend stabil, zugleich getrieben von Erwartungen an entschlossene politische Führung. Die Beamtenschaft des Ressorts erlebte verschiedene Aggregatszustände der Ausnahmeherrschaft und trug ihrerseits dazu bei, die Spielräume staatlicher Ermächtigung immer wieder auszudehnen, bis in den neuerlichen Kriegszustand und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik.
Die Autorin zeigt mit diesem Buch, dass die technokratische Praxis von Staatsverwaltungen als eminent politische Dimension einer Geschichte des Regierens zu verstehen ist.
Die staatliche Finanzverwaltung war fest eingebunden in die fiskalische Verfolgung von „Reichsfeinden". Dabei legalisierte sie nicht nur den Vermögensraub, sondern bildete einen integralen und aktiven Bestandteil des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates.
Josephine Ulbricht liefert mit ihrer Studie erstmals einen Gesamtüberblick über den Zugriff auf das Vermögen von deportierten Sinti und Roma, ausgebürgerten Emigranten, katholischen Einrichtungen sowie von politischen Gegnern und den Widerständlern aus dem Kreis der „Roten Kapelle" und des „20. Juli". Sie zeigt auf, wie sich stufenweise juristische Grundlagen und administrative Verfahren im Bereich der Vermögenseinziehung herausbildeten und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Verfolgtengruppen bestanden.
Auf einer breiten Quellengrundlage wird zudem das Netzwerk der an den Konfiskationsvorgängen beteiligten Institutionen von Staat und Partei analysiert und der spezifische Anteil der staatlichen Finanzverwaltung an der fiskalischen Gegnerverfolgung ausgelotet. Deutlich wird dabei, dass die Reichsfinanzverwaltung eine bedeutende Schnittstelle zwischen den verfolgten „Reichsfeinden", den verschiedenen NS-Machtzentren und der Bevölkerung bildete.