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„Einsamkeit", bereits vor 1800 diskutiert, wird als Kulturtechnik im romantischen Kunstverständnis adaptiert, wie Arnims Titelentwürfe für die Zeitung für Einsiedler zeigen: „Welteinsamkeit", „Der Einsiedler in der Gesellschaft", „Der Einsiedler auf Reisen". Einsame und Fremde, Einsiedler und Pilger sind bevorzugte literarische und bildkünstlerische Figuren bei Arnim, Tieck, Clemens Brentano, A. W. Schlegel, C. D. Friedrich u.a.m.
Ohne Schuld und Sühne, Belohnung und Strafe, ohne Verbrechen und Leidenschaft, Opfer und Täter kam die Literatur nie aus und die Literatur der Romantik ist wie die Zeit davor und danach durchzogen von Rechtsfällen. Im Zuge der Aufklärung wuchs das Interesse an Rechtsfällen sowie am Verbrecher und seinen Beweggründen. Doch wandelten sich das Rechtssystem und die Rechtsauffassung im Zeitalter der Romantik entscheidend. Vor allem durch die ‚Begründung der Historischen Rechtsschule‘ erhielt die Rechtswissenschaft eine neue Grundlage; der Code civil galt als Verletzung des nationalen Rechtsbewusstseins: „der eigentliche Sitz des Rechts [sei] das gemeinsame Bewußtseyn des Volkes", glaubte Savigny. Die Beiträge der Rechtshistoriker und Literaturwissenschaftler gehen den Fragen von Recht und Gerechtigkeit, Verbrechen und Strafe in rechtshistorischen Werken, in Literatur, Ästhetik und Sprache, aber auch in der Rechtspraxis nach: Die historische Rechtsschule, besonders Grimm, Puchta und Savigny, der Bedeutungswandel von Rechtswörtern, Achim von Arnim, Clemens und Bettina, Bonaventura, E.T.A. Hoffmann, die Grimmschen Märchen, A.W. Schlegels Shakespeare-Übersetzungen, Kleist, Eichendorff und Tieck sind die exemplarisch verhandelten Themen.
Die Rolle des Alltags für die Kunst und in der Kunst erlaubt einen neuen Blick auf die angebliche Bekämpfung der Banalisierung der Kunst in der Romantik. Alltag und Kunst stehen sich nach Pierre Bourdieu gegenüber wie das Heilige dem Profanen. - Im vorliegenden Band werden Lebenswelt und Kunst, Handwerk und Geselligkeit, Briefe und Kriegsalltag, Krankheit und Essen aus verschiedenen Perspektiven als Themen von Literatur und Kunst wie als Realität des Alltags diskutiert. Dabei spielt auch das komplexe Dilemma zwischen dem Autor als Alltagsmenschen und seiner (Selbst-)Stilisierung eine Rolle. Kaum hatte die Aufklärung den bürgerlichen Alltag nobilitiert und dem Dichter dort eine Funktion zugewiesen, da wird die Kunst für autonom erklärt. Theodor in E.T.A. Hoffmanns Serapionsbrüdern zieht für den Widerstreit zwischen Alltäglichkeit und überirdischer Kunst ein Fazit für die Musik: „Es ist aber das Erbteil von uns Schwachen, daß wir, an der Erdscholle klebend, so gern das Überirdische hinabziehen wollen in die irdische ärmliche Beengtheit.“
Vor der Académie Royale de Peinture et de Sculpture erklärte der Maler Charles Le Brun 1667: „Tout l'apanage de la couleur est de satisfaire les yeux, au lieu que le dessin satisfait l'esprit“. Bereits an dieser Zuordnung wird deutlich, dass Farben stets der sinnlichen Seite der Kunst zugeschlagen wurden; noch Kant betonte, dass „Farben, Töne und Wärme [...] bloß Empfindungen und nicht Anschauungen“ seien. - Den Farben der Wirklichkeit und den Farben der bildenden Kunst stehen die Farbwörter und die meist metaphorischen Farben in Sprache und Literatur gegenüber. Die um 1800 geführte Diskussion über subjektive/objektive Wahrnehmung wird auch im Wandel von Newtons ›physikalischem‹ zum ›physiologischen‹ Farbverständnis deutlich. Das neunte Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft hat die naturwissenschaftlich-physiologische, die ästhetische und symbolische Funktion und Bedeutung der Farben der Romantik erstmals in ihrem Zusammenhang untersucht und ist zudem dem Verhältnis von „Farben und Wörtern“ (Jacques Le Rider) im Kontext der Diskussion von Gefühl und Empfindung nachgegangen.
Romantik und Emotionsdarstellung scheinen genuin zusammenzugehören: Mit der Fokussierung der Ästhetik der Emotionen, ihrer gattungstypischen Inszenierung und Repräsentation bei Arnim, Günderrode, Goethe, Heine, Hoffmann, Schiller, Tieck u.a. bietet der Band eine breite Erarbeitung dieses Spannungsverhältnisses. Emotionstheoretisch gilt auch heute noch Herders Diktum: „Empfindung und Wort sind sich so gar entgegen: der wahrhafte Affekt ist stumm, durchbraust unsre ganze Brust inwendig eingeschlossen.“ Die Beiträge analysieren entsprechend den ›Umgang‹ mit bzw. die Repräsentation von Emotionen in der Literatur der Romantik. Die Tatsache, dass Gefühle anderer nie direkt zugänglich sind und eigene Gefühle nur durch willkürliche Zeichen (Worte) oder Körperzeichen anderen vermittelt bzw. dem Fühlenden bewusst werden können, steht im Mittelpunkt des Interesses an literarischen Gefühlsdarstellungen. Emotionen sind in der Wahrnehmung, auch in der Eigenwahrnehmung immer schon vermittelt; für fiktionale Emotionsdarstellungen würde, denkt man die Mittelbarkeit zu Ende, also gelten, dass sie nur „als diskursive bzw. ästhetische, nicht als real-psychische Entitäten“ existieren (Rüdiger Schnell).
Dieser Band fasst nach einem ersten Jahrzehnt neuer historisch-kritischer Editionsarbeiten an der Weimarer Arnim-Ausgabe (WAA) die dabei erreichten philologischen, literarischen, philosophischen und komparatistischen Konstellationen zusammen. Es entsteht ein neues Bild von einem der ‚originellsten Köpfe der romantischen Schule' (Heinrich Heine) und seines viel nachhaltigeren Einflusses auf Zeitgenossen wie Nachgeborene als bisher gedacht. Sowohl werkgeschichtliche neue Untersuchungen zu Arnim, als auch neue Einsichten in Verbindungen Arnims mit dem frühromantischen Denkkreis und wirkungsgeschichtliche Facetten frühromantischen Dichten und Denkens ergeben ein überraschend neues Tableau romantischer Mentalität.
Um 1800 werden die ‚Räume des Inneren‘, werden geistige und psychische Prozesse, Zustände oder Beziehungen, die sich unmittelbarer Anschauung entziehen, neu symbolisiert und narrativiert: Gehirnhöhlen werden begehbar, subjektivierte Landschaften werden zu phantastischen Bildern des Inneren. Im Gegensatz dazu erfasst der Band des Kolloquiums vor allem die erzählten ‚realen‘ Räume in ihrer Symbolfunktion und der Art ihrer Narrativierung. Es geht dabei um die kulturelle Kodierung von Häusern und Zimmern, Schlössern und Türmen mit ihren Möglichkeiten des Abschließens und der Öffnung durch Fenster und Türen. Jedoch auch die sich öffnenden Räume (die Weite des Meeres, Flusslandschaften und ferne Länder) werden untersucht. Das Moment des Öffnens und Abschließens von Räumen kann die Perspektive von narratologischen Untersuchungen produktiv lenken, so können zum Beispiel Erfahrungen der Grenze die Figurenzeichnung maßgeblich strukturieren. Die Analysen der erzählten Räume/Raumbrüche und Architekturen und ihrer Beziehung zu ihren ‚Bewohnern‘ tragen im Rahmen des gegenwärtig proklamierten spatial oder topographical turn zu einer neuen Vermessung eines sowohl erzähl- und darstellungstechnisch als auch kulturanthropologisch zentralen Komplexes bei.
Fluss und Strom als Bilder der Zeit und des Schicksals sind ebenso alt wie Quelle und Strom als Metaphern der Inspiration und des Gesanges. Prozesse der Grenzüberschreitung und der Entgrenzung, der Vermittlung und des Austauschs werden in unterschiedlichen Bildern des Fließens veranschaulicht. Das sechste Kolloquium derInternationalen Arnim-Gesellschaft auf der Burg Schönburg (Oberwesel) diskutierte dieses Bild- und Metaphernfeld vom fließenden Rhein über den Geldfluss bis hin zu den Text- und Körperströmen, auch im Kontext der „romantischen Naturwissenschaft“. Novalis’ Vorstellung der Poesie als „von Natur flüssig“ steht Goethes „Schöpft des Dichters reine Hand, / Wasser wird sich ballen“ gegenüber.
Das fünfte Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft in Heidelberg (2004) stand im Zeichen des "Wunderhornjahres" 2006: Für die Heidelberger Romantik und die "Volkspoesie" stehen schon immer Fragen der Performanz, des Verhältnisses von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, des Zitierens und der Intertextualität im Zentrum. Arnims und Brentanos »Des Knaben Wunderhorn« ist - neben anderen hier behandelten Werken Arnims und der Heidelberger Romantik - besonders geeignet, diese Fragestellung zu erproben. Auch Goethe hebt den performativen Aspekt hervor: »Von Rechts wegen sollte dieses Büchlein in jedem Hause, wo frische Menschen wohnen, am Fenster, unterm Spiegel, oder wo sonst Gesang- und Kochbücher zu liegen pflegen, zu finden sein, um aufgeschlagen zu werden in jedem Augenblick der Stimmung oder Unstimmung, wo man denn immer etwas Gleichtönendes oder Anregendes fände.«
Beim vierten Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft in Glasgow standen Fragen biographischer und nationaler Identität, kultur- und sozialpolitischer Kodifizierung, Ausgrenzung und Gemeinschaft im Mittelpunkt. Neben komparatistischen Vorträgen, die sich auf intertextuelle Zusammenhänge konzentrieren, stehen interdisziplinäre Beiträge, die sich vor allem mit dem historischen, politischen, sozialen und kulturellen Kontexten auseinandersetzen. Die Krisenerfahrung der Napoleonischen Kriege stärkte unter den Romantikern den Rückbezug auf die eigene literarische Tradition und deren - im Blickwinkel des 20. Jahrhunderts - so problematische Rezeption. Die Fremdheitserfahrung (Arnims Englandbild, Juden und Zigeuner bei Arnim) differenziert die Identitätsbildung auf nationaler, gemeinschaftlicher und individueller Basis. Dabei wird auch diskutiert, weshalb oft eine Verschiebung auf ästhetische (statt philosophisch-politische) Identitätsangebote stattfindet. Weitere Fallstudien widmen sich der erzählerischen Konstruktion von künstlerischer, sozialer, amikaler und Geschlechter-Identität.
Das dritte Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft stellt Achim von Arnim in den politischen, kulturpolitischen und literarischen Kontext Preußens im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Arnims Berliner Zeit (1809--1814) ist durch die Vielfältigkeit der literarischen und journalistischen Produktionen zum Zenit in Arnims Leben geworden. Fragen der Bildung und Politik werden ebenso untersucht wie der spezielle "romantische" Kontext von Arnims Berliner Jahren (Berliner Kunst, Dorothea Veit-Schlegel, Kleist, Eichendorff und Tieck). Abgeschlossen wird die Sammlung durch drei dezidiert textanalytisch verfahrende Studien zu Arnim und Brentano sowie durch eine überraschende Lektüre Rahel Levins von Arnims »Wunderhorn«.
Gegenstand des Kolloquiums, das im Sommer 1998 von der Internationalen Arnim-Gesellschaft veranstaltet wurde, waren Leben und Werk Arnims von der Schulzeit über das Studium bis zu den Reisejahren. Die reiche Vielfalt der Gedankenwelt und literarischen Produktion des jungen Arnim, die ungewöhnliche Breite seiner Bildung wurden detailliert und in Zusammenhängen einsichtig: vor allem durch die Erschließung bisher unbekannter Quellen und die Vereinigung von biographisch-literarischen mit philosophisch-naturwissenschaftlichen Fragestellungen.
Nach dem kriegsbedingtem Aufenthalt Achim von Arnims in Königsberg 1806/07 mit Kontakten zu den Reformern um von Stein und dem einschneidenden persönlichen Erlebnis der Liebe zu Auguste Schwinck sowie der Herausgabe der »Einsiedlerzeitung« in Heidelberg 1808, folgen fünf Berliner Jahre mit Integrationsversuchen, Entstehung von bedeutendsten Werken (Wintergarten, Gräfin Dolores, Halle und Jerusalem, Novellenband 1812, Päpstin Johanna, Schaubühne), Gründung der Christlich-teutschen Tischgesellschaft und der vertretungsweisen Herausgabe des »Preußischen Correspondenten« in den Kriegsmonaten Winter 1813/14. Die Berliner Universität wird 1810 gegründet. Arnim versucht eine Rolle zu spielen in den politischen, literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Aufbruchsjahren der Berliner Besatzungs-, Reform- und Aufstandszeit gegen Napoleon, heiratet 1811 Bettina Brentano und zieht sich im Februar 1814, wie es scheint plötzlich, nach Wiepersdorf zurück, wo er bis 1831 als Guts- und Schloßherr und Autor leben wird. Die Beiträge zu dem ersten Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft auf Schloß Wiepersdorf 1997 beleuchten diese Jahre des Zenits von Arnims Leben mit vielfältiger Produktion und ambitionierten Aktivitäten und diskutieren die Entwürfe, ihre Intentionen, ihre Erfolge wie auch ihr partielles Scheitern. Die von Johannes Barth (Wuppertal) erarbeitete verdienstvolle Bibliographie für die Jahre 1925--1995 bildet die Fortsetzung von Otto Mallons Bibliographie von 1925.