Die 1812 während des Volksaufstands gegen die französische Besatzung geschaffene Verfassung, nach ihrem Entstehungsort „Constitución de Cádiz“ benannt, ist der Grundstein der modernen spanischen Verfassungsgeschichte. Zugleich ist sie ein wichtiger Abschnitt der gesamteuropäischen Verfassungsgeschichte im Kampf zwischen Absolutismus und Konstitutionalismus. Der zum Mythos erhobene Freiheitskampf gegen Napoleon und die Verfassung von 1812 entfaltete im zweiten und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts international große Wirkung. Spanien war zu Beginn des Liberalismus Impulsgeber für Oppositionsbewegungen in ganz Europa. Für Fürst Metternich hingegen, den führenden Vertreter des monarchischen Prinzips, war die Konstitution von 1812 ein „Werk der Willkür oder einer unsinnigen Verblendung“.
Die Verfassung von Cádiz und die fast 19 Jahre später, am 8. Januar 1831, verkündete kurhessische Verfassung haben gemeinsam, dass sie jeweils zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bei Anhängern wie bei Gegnern als liberalste, fortschrittlichste, auch radikalste Konstitutionen des Kontinents galten.
Die vorliegende Untersuchung nimmt erstmals einen Vergleich dieser beiden Verfassungen vor, mit dem Ziel festzustellen, welche auf dem langen Weg Europas vom Absolutismus zum Parlamentarismus weiter fortgeschritten war. Nach einer Schilderung des jeweiligen historischen Hintergrunds werden beide Verfassungen anhand dreier zentraler Komponenten des modernen Rechtsstaats (Volkssouveränität, Gewaltenteilung und Grundrechte) dargestellt und verfassungssystematisch eingeordnet. Anschließend werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Ein Kapitel zur Kritik des wohl einflussreichsten unter den Schöpfern der Verfassung Kurhessens, des Marburger Staatsrechtlers Sylvester Jordan (1792-1861), an der Verfassung von Cadiz schlägt eine Brücke zwischen beiden Konstitutionen und rundet die Darstellung ab.